Mittwoch, 26. Mai 2010

Kopfsache - Teil 1

Wir starten heute mit einer kleinen Serie. Die Idee dahinter: Jeder Tennisspieler kennt Situationen, in denen sein Spiel ganz und gar nicht so läuft, wie er es sich vorstellt. Sei es, dass eine bestimmte Technik nicht gelingen will, sei es, dass er in entscheidenden Situationen den Faden verliert oder dass er mit bestimmten Gegnern nicht zurecht kommt.
Dagegen kann man etwas unternehmen - nämlich trainieren. Und zwar auf physisch auf dem Platz, aber eben auch mental - auf dem Platz oder außerhalb des Platzes.

Genau darum geht es bei dieser Serie: Was können wir tun, um mental stärker zu werden? Und wie können wir unsere Vorstellungskraft nutzen, um unser Tennis zu verbessern?
Wir beginnen mit dem mentalen Training schwieriger Bewegungsabläufe.

Die Übung:
Mal angenommen, deine Vorhand-Topspin funktioniert nicht so, wie du es gerne möchtest. Hin und wieder klappt es, aber oft genug geht der Schlag daneben. Du hast dich entschieden, den Schlag mental zu trainieren. Hier kommt die Anleitung:
Sorge dafür, dass du ungestört bist. Lege dich auf den Rücken und zwar so, dass du es wirklich bequem hast. Atme ruhig und entspanne dich, indem du mehrmals tief durchatmest und da
nn ruhig weiter atmest.
Dann beginne damit, dir die Bewegung, die du trainieren möchtest, vorzustellen. Es gibt drei Möglichkeiten, die du in dieser Reihenfolge ausprobieren kannst:

1. Du stellst dir die perfekte Bewegung vor, indem du vor deinem inneren Auge einen Top-Spieler die Bewegung durchführen lässt. Du schaust also z.B. Roger Federer dabei zu, wie er den Schlag ausführt. Lass die Bewegung mehrmals ablaufen, bis du sie wie in einem Film beobachtest – vielleicht sogar in Zeitlupe.
2. Die Steigerung ist, dich selbst bei der Bewegung zu beobachten. Versuche, dir vorzustellen, wie du selbst den Schlag ausführst, und zwar so, als ob du neben dem Spielfeld stehst und dir dabei zusiehst. Auch hier solltest du so lange trainieren, bis die Bewegung fehlerfrei abläuft und der Ball dort landet, wo du ihn hinspielen möchtest.

3. Und nun versuche dir vorzustellen, wie du auf dem Platz stehst und den Schlag ausführst. Erst langsam, dann in der Originalgeschwindigkeit und irgendwann in der schwierigsten Kombination, z.B. aus vollem Lauf.Du wirst feststellen, dass du manche Bewegungen ohne Schwierigkeiten mental ablaufen lassen kannst, andere hingegen dir immer wieder Probleme bereiten. Dies sind genau die Schläge, die dir auch beim Spiel häufig misslingen. Das zeigt, dass eine Bewegung erst dann wirklich funktioniert, wenn sie im Kopf fehlerfrei gespeichert ist.

Diese Bewegungsabläufe übst du nun immer wieder und immer wieder. Vielleicht abends, bevor du zu Bett gehst. Oder am Tag in einer ruhigen, ungestörten Minute. Viel Zeit benötigst du dafür nicht, ein paar Minuten genügen. Wichtig ist allein, dass du dich nicht gestresst fühlst und dich ganz und gar auf die Bewegungsabläufe konzentrieren kannst.

Die Erklärung:

Dem mentalen Training liegt die Annahme zugrunde, dass unsere Bewegungen in unserem Gehirn gespeichert sind. Wir lernen sie entweder durch Versuch und Irrtum oder durch das Abschauen von Vorbildern. Zu Beginn hat unser Gehirn noch keine Abbildung der Bewegung vorliegen, erst durch viele Wiederholungen prägt sich das Bild ein wie ein Film, der im Archiv liegt und den wir hervorholen, wenn wir ihn brauchen.
Nun lernen wir Tennis kaum durch Versuch und Irrtum, sondern dadurch, dass wir es gezeigt bekommen, z.B. von einem Trainer. Oder dadurch, dass wir anderen zusehen und die Bewegung nachahmen. Oder eben beides.

Man kann sich nun leicht vorstellen, dass eine Bewegung, die „falsch“ abgelegt ist, in der Ausübung kaum richtig funktionieren kann. Schau einem Spieler zu, der keinen Film für eine durchgezogene Rückhand vorliegen hat – er wird immer auf den Slice zurückgreifen, weil hierfür ein gutes „Programm“ existiert.

Je öfter eine Bewegung perfekt durchgeführt wird, umso mehr wird das Ebenbild der Bewegung in unserem Gehirn gefestigt. Das wiederum bedeutet, dass sie schließlich auch unter höchstem Stress und Druck zum Beispiel im Wettkampf abgerufen werden kann und nahezu fehlerlos ausgeübt wird. Unglaublich viele perfekt ausgeübte Schläge sind notwendig, um diesen Film zu prägen und aus jeder Lage abrufbar zu machen. Das zeigt, wie komplex die Bewegungsabläufe beim Tennis sind.

Wenn wir nun tatsächlich dadurch Bewegungen in unserem Kopf speichern können, indem wir anderen dabei zuschauen, dann können wir einen Schritt weiter gehen. Wir können uns diese Bewegung gedanklich ausmalen, und zwar immer wieder und wieder, und dabei versuchen, sie auch hier perfekt auszuführen. Man hat nachgewiesen, dass verletzte Sportler, die nicht körperlich trainieren konnten, dafür aber „mental trainierten“, anschließend deutlich weniger Trainingsrückstand aufwiesen als solche, die während der Phase der Verletzung nicht mental trainierten.

Es gibt noch einen anderen interessanten Beleg für die Wirkungsweise des mentalen Trainings. Beobachte im Fernsehen einmal einen Fußballtrainer, der am Rand des Spielfeldes steht und seinen Spielern zuschaut. Du wirst feststellen, dass er die Schüsse und Bewegungen seiner Spieler regelrecht „nachbildet“ und dabei mit den Füßen zuckt und den ganzen Körper einsetzt. Vielleicht ist es dir auch schon einmal bei der Beobachtung anderer Sportler so ergangen. Diesen Effekt nennt man den „Carpenter-Effekt“. Die Wahrnehmung einer Bewegung regt über das Gehirn die entsprechenden Muskelgruppen an. Und genauso stellt man sich auch die Wirkung des mentalen Trainings vor.

Ein letztes Beispiel: Hast du schon einmal gesehen, wie ein Hochspringer vor dem Sprung den kompletten Bewegungsablauf durchspielt? Auch hier werden durch die reine Vorstellungskraft alle Muskeln und Nerven auf die Bewegung „programmiert“.

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